Additum 425 – In Amerika daheim
Samstag, 26. April 2008 [10:51 Uhr]
Sancta Nongrata an Heilige Würmer und Selige Spam
CC: Benedikt XVI., Dr. Ralph Bergold - Katholisch-Soziales Institut, Kardinal Paul Josef Cordes - Präsident des Päpstlichen Rates “Cor Unum”, Bernhard Docke - Anwalt von Murat Kurnaz, Prof. Benjamin B. Ferencz - Völkerrechtler u. ehemaliger US-Ankläger bei den Nürnberger Prozessen, Manfred Gnjidic - Anwalt von Khaled El-Masri, Prof. Theodor W. Hänsch - Physik-Nobelpreisträger u. Papstberater, Prof. August Heuser - Dommuseum Frankfurt am Main, Prof. Fotis Kafatos - Molekularbiologe - Biotechnologe u. Papstberater, Wolfgang Kaleck - Anwalt für Menschenrechte, Prof. Jörg Kinzig - Strafrechtler, Prof. Thomas Macho - Kulturwissenschafter, Renato Kardinal Martino - Präsident des Päpstlichen Rates für Justiz und Frieden, Dr. Maria Meesters - Katholische Rundfunkarbeit am SWR, Dr. Vehlow & Wilmans - Rechtsanwälte, Benedikt Widmaier - Akademie für politische und soziale Bildung der Diözese Mainz, Michael Witti - Anwalt für Menschenrechte, Apostolische Nuntiatur in Berlin, Deutsche Bischofskonferenz, Kommission für Zeitgeschichte in Bonn, Kontemplative Schwestern vom Guten Hirten, Päpstliches Komitee für Geschichtswissenschaften, Radio Vatikan, Radio X
Liebe verheiligte Würmer, liebe verseligte Spam,
zum Papstbesuch in den USA möchte ich rückblickend noch auf einen Artikel hinweisen, der mir aufgefallen war - einen durch und durch Amerika-hörigen Kommentar von Matthias Rüb auf der ersten Seite der FAZ:
„In Amerika daheim
21. April 2008 Der Papst versteht etwas von Amerika, weil er etwas vom Glauben versteht. Ohne ein Verständnis der Rolle von Religion und Glauben in den Vereinigten Staaten kann man weder deren innere Verfasstheit noch ihr internationales Handeln verstehen.
Im Garten des Weißen Hauses bezeugte Benedikt XVI. seine Freundschaft mit Amerika, seinen Respekt vor der „großen pluralistischen Gesellschaft“ der Vereinigten Staaten und seine Hochachtung für jene ungezählten Amerikaner, die „ihr Leben für die Verteidigung der Freiheit daheim und im Ausland geopfert haben“. In der wachsenden paneuropäischen Säkularkirche muss solche Huldigung an das „Land der Freien“ als Häresie gelten.
Dass der Papst und Präsident Bush in nahezu identischer Diktion die Freiheit als Geschenk des Schöpfers an alle Menschenkinder beschreiben, dass sie sich gemeinsam zum Platz des Glaubens in der Öffentlichkeit bekennen, dass sie die Möglichkeit der Harmonie von Glaube und Vernunft bekräftigen - das macht sie im zunehmend gottfernen Europa gleichermaßen zu Außenseitern. Nicht in den Vereinigten Staaten, „dem innovativsten, kreativsten und dynamischsten Land der Erde - das zugleich zu den religiösesten gehört“ (Bush).
(…)“
(In Amerika daheim;
http://www.faz.net/s/Rub7FC5BF30C45B402F96E964EF8CE790E1/Doc~EBB90A4CFAD8B436984E785E95A1502B4~ATpl~Ecommon~Scontent.htmlArtikel-)
Immer mehr zeigt sich: Diejenigen Amerikaner, die für die Freiheit des Menschen bedingungslos eintreten - Freiheit verstanden als Einhaltung klar definierter Menschenrechte, also auch klar definierter Verbote, unter anderem der Folter – diejenigen also, die eintreten für einen jeden gleich welcher Rasse, Religion oder sonstiger Spezifika und damit tatsächlich etwas für „die Heiligkeit des Lebens“ tun - diese Amerikaner werden durch die Zentren westlicher Mächte, einschließlich des Vatikans, nicht unterstützt. Auch wird die brennende Frage, warum die Regierung eines Landes, das sich zu den religiösesten zählt, foltern lässt, ganz einfach verdrängt.
Übrigens: Prof. Wolf Singer will seine Email-Adresse aus unserem Verteiler entfernt wissen – sicher ohne Illusion über die Freiheit seines Willen als „kulturelles Konstrukt“. Ich habe ihm geschrieben, dass das in Ordnung gehe, dass es mich freue, dass er es so lange mit uns ausgehalten habe, und ihn dann gebeten, dem Papst zum Einspruch wider die Folter zu raten; denn als Fachmann wisse er besser als viele andere, was im Hirn und ihm Nervensystem eines Menschen bei Folter geschehe. Immerhin ist er ja Hirnforscher und Papstberater.
Also, liebe Würmer, liebe Spam – ihr, die „sehr geehrten Damen und Herren“ - beachtet die Bitte, sendet keine Emails mehr an den Professor. Programmiert damit eure Hirne – diese komplexen, sich selbst organisierenden, nicht-linearen Systeme - und macht keinen Quackes.
Aber jetzt wieder zu Dingen von Relevanz: Es gibt einen schockierenden Film von Amnesty International über das Waterboarding. Wie „Spiegel online“ mitteilt, lässt der britische "Independent" in seinem Bericht über diesen Film den US-Folter-Experten Malcolm Nance zu Wort kommen. Dieser greift seine Regierung für die Praxis des Waterboardings heftig an:
„Nance, der Hunderte CIA-Agenten darin trainiert hat, das Waterboarding auszuhalten, fordert die US-Regierung auf, die Praxis sofort zu beenden. Beim Waterboarding handele es sich eindeutig um Folter. Er sei tief beschämt, dass Präsident George W. Bush seine Anwendung erlaubt habe und den Ruf der USA in den Schmutz ziehe. "Sie glauben offenbar, dass es das wert ist, 220 Jahre amerikanischen Anstand in Kriegssituationen aus dem Fenster zu werfen."
(Amnesty International schockiert mit Waterboading-Film;
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,549107,00.html)
Und nun führt mich mein Wille, ob frei oder unfrei, zur Spinne. Die Spinne ist in den Upanischaden das Symbol der geistigen Selbstbefreiung. Die Upanischaden wiederum waren für Schopenhauer die „belohnendste und erhebendste Lektüre“, die (…) auf der Welt möglich ist. „Sie ist der Trost meines Lebens gewesen und wird der meines Sterbens seyn“ (“Parerga und Paralipomena”, II, § 185). In der Ethik des Pessimisten Schopenhauer ist Mitleid der zentrale Begriff. Schopenhauer dürfte spätestens dann, wenn sich die Ära des „positiv thinking“ von selbst erledigt haben wird, wieder Konjunktur haben. Von ihm stammt folgender Ausspruch zur Willensfreiheit: „Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will.
Ceterum censeo, bellum et tormentum esse interdicenda.
Mit herzlichen Grüßen
Nongrata
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