Friday, December 01, 2006


Additum CXXI - Giordano Bruno


1. Dezember, anno domini MMVI, 23:15 Uhr MEZ
Sancta Nongrata an Papst Benedikt XVI.
Cc: Dr. Ralph Bergold - Katholisch-Soziales Institut (KSI), Prof. Dr. Theodor W. Hänsch - Physik-Nobelpreisträger - Papstberater, Prof. Dr. August Heuser - Dommuseum Frankfurt a. Main, Prof. Dr. Fotis Kafatos - Molekularbiologe - Biotechnologe - Papstberater, Dr. Peter Kottlorz - Katholische Rundfunkarbeit am SWR, Bischof Dr. Reinhard Marx u. a. - Bischöfliches Generalvikariat, Dr. Maria Meesters - Katholische Rundfunkarbeit am SWR, Prof. Dr. Wolf Singer - Hirnforscher - Papstberater, Apostolische Nuntiatur in Berlin, Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke (AKSB), Deutsche Bischofskonferenz, Katholisch-Soziales Institut (KSI), Kontemplative Schwestern vom Guten Hirten, Päpstliches Komitee für Geschichtswissenschaften, Radio Vatikan, Schweizer Bischofskonferenz (SBK)


Grüß' Gott Eure Heiligkeit,

nach Ihrem viertägigen Türkeibesuch, der, Gott sei Dank, gut verlaufen ist, sind Sie nun zurück in Rom, und ich erlaube mir, Sie sofort wieder mit dem Thema Folter zu befassen - heute mit der sicherlich nicht neuen, aber immer noch nicht hinreichend beantworteten Frage:

Wie hält es die katholische Kirche mit der Aufarbeitung ihrer klerikalen Folteraktivitäten während der langen Zeit der Inquisition?

Monsignore Walter Brandmüller, Präsident des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaften, scheint Verbrechen der Inquisition ausklammern und umdeuten zu wollen. Die Frage von Henryk Broder (Der Spiegel, Heft 48, S. 184), ob er sich auch mit Bruno beschäftigt habe, verneinte der Chefhistoriker der Kurie und meinte dann aber: "Der war ein verruchtes und unmoralisches Genie, er hat sich überall, wo er auftauchte, unmöglich aufgeführt und die Leute gegen sich aufgebracht". Broders Frage, ob Brunos schlechtes Benehmen Grund genug war, ihn auf den Scheiterhaufen zu schicken, ließ er unbeantwortet.

Müsste es nicht einen Aufschrei über die Äußerungen Ihres Chefhistorikers geben? Möchte Walter Brandmüller das Opfer Giordano Bruno erneut als Täter sehen und das Gedenken an ihn durch einen Müllerschen Brand schwärzen?

Sind auch Sie, Eure Heiligkeit, der Meinung, dass ein Kirchenhistoriker sich nicht mit Giordano Bruno beschäftigen sollte; dass es richtig ist, die große Gestalt Bruno abzuwerten; dass die Wahrheit über das
kapitale klerikale Verbrechen der Folter und des Mordes auf den Kopf gestellt werden darf?

"Die katholische Position war immer die Verteidigung der Vernunft gegen den fundamentalistischen Glauben" sagte Brandmüller, und er antwortete auf Broders Frage "Immer? Auch während der Inquisition?": "Erst recht während der Inquisition. Es ging darum festzustellen, ob einer irrt oder nicht - durch rationale Argumentation."

Gehören Folter und Mord zur rationalen Argumentation? Wer eigentlich hat rational argumentiert? Giordano Bruno oder die Verbrecherbande der Inquisition? War es nicht Giordano Bruno, der sich gegen die Unvernunft des fundamentalistischen Glaubens der katholischen Kirche zu verteidigen hatte und kapitulieren musste? Auf dem Scheiterhaufen soll man ihm die Zunge festgebunden haben, um ihn zu hindern, zu den anwesenden Menschen zu sprechen - eben zu argumentieren. Klingt in diesem Kontext das Brandmüllersche Gerede von der "rationalen Argumentation" nicht geradezu zynisch und menschenverachtend?

Hat Christus etwa gesagt: Ihr sollt foltern und töten zur Verteidigung dessen, was eure Hirne als Glaube und Vernunft zu erkennen vermeinen? Deus odium est?

Eigentlich müsste ich die katholische Kirche verklagen.
Sie, die katholische Kirche, verbrannte Giordano Bruno, diesen edlen, mächtigen Baum, der in den Himmel wuchs und noch viele Früchte hätte tragen können.
Sie, die katholische Kirche, verhinderte durch ihr großes Verbrechen Giordano Brunos spätere Schriften - vermutlich einen wichtigen Teil naturphilosophischen Welterbes.
Sie, die katholische Kirche, schädigte durch den Mord an Giordano Bruno auch mein Gerechtigkeitsempfinden - ja, sie zersägte ein Stück weit meinen Glauben an die Menschheit.
Tragisch dabei ist: wer allzu großen Schaden an seinem Gerechtigkeitsempfinden, an seinem Glauben an die Menschheit nimmt, kommt nicht mehr klar in unserer Welt.


Der Vorsitzende des päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaften, Monsignore Brandmüller, hat sich nach eigenem Bekunden nicht mit Giordano Bruno beschäftigt, aber Giordano Bruno "verrucht" - ein sinnverwandter Ausdruck für abscheulich, böse, charakterlos, niederträchtig, unredlich, verdorben - genannt. Schlimmstenfalls kennt niemand im Vatikan den großen Denker Giordano Bruno. Darum möchte ich auf Giordano Brunos bahnbrechende Schriften verweisen, nebenbei auch erwähnen, dass Leibniz, Herder, Goethe und Schelling durch die Werke des von der katholischen Kirche brutal Ermordeten beeinflusst wurden:

Giordano Bruno, Della causa, principio e uno, 1584
(dt.: Über die Ursache, das Prinzip und das Eine)

Giordano Bruno, De L'infinito, universo e mondi, 1584
(dt.: Über die Unendlichkeit, das Universum und die Welten)

Giordano Bruno, Spaccio della bestia trionfante, 1584
(dt.: Die Vertreibung der triumphierenden Bestie)

Giordano Bruno, Degli eroici furori, 1585
(dt.: Von den heroischen Leidenschaften)

Es sind noch weitere Werke Giordano Brunos wichtig und empfehlenswert, die Sekundärliteratur ist auch interessant. Informationen finden Historiker jederzeit im Internet, so dass einer angemessenen Beschäftigung mit dem Dichter und Denker nichts im Wege steht.
Zu empfehlen sind auch Audio-CDs zu Giordano Bruno, falls Kirchenleute nicht so gerne lesen.

Das weite Denken des unter Feuerqualen verstorbenen Giordano Bruno möge sich also im Vatikan ausbreiten. Nie wieder sollen Kleriker Giordano Bruno abwerten!


Ceterum censeo, tormentum bellumque et bellum tormentumque et bellum et tormentum et tormentum et bellum esse interdicenda.

Mit freundlichen Grüßen

Nongrata

Litanei wider die Folter http://www.runwalt.de/nongrata.html
Wider die Folter ! http://www.wider-die-folter.blogspot.com

ALLE EURE DINGE LASST IN DER LIEBE GESCHEHEN, 1. KOR. 14, 16
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