Friday, June 29, 2007


Additum 267 - Aufklärung und Folter


29. 06. 2007, 19:45 MEZ
Vermiculi scribint Nongratae.
(Diesen Satz versteht zwar nicht jeder, aber dadurch klingt er vielleicht ähnlich verunsichernd wie
die tridentinische Liturgie aus eigenem Willen (lat.: "motu proprio"), die der Papst am 27.7.07 für die gesamte katholische Kirche freigab.)


CC: Benedikt XVI., Dr. Ralph Bergold - Katholisch-Soziales Institut (KSI), Bernhard Docke - Anwalt von Murat Kurnaz, Prof. Dr. Theodor W. Hänsch - Physik-Nobelpreisträger - Papstberater, Prof. Dr. August Heuser - Dommuseum Frankfurt am Main, Prof. Dr. Fotis Kafatos - Molekularbiologe - Biotechnologe - Papstberater, Wolfgang Kaleck - Anwalt für Menschenrechte, Prof. Dr. Jörg Kinzig - Strafrechtler, Prof. Thomas Macho - Kulturwissenschafter, Dr. Maria Meesters - Katholische Rundfunkarbeit am SWR, Prof. Dr. Wolf Singer - Hirnforscher - Papstberater, Dr. Vehlow & Wilmans - Rechtsanwälte, Benedikt Widmaier - Akademie für politische und soziale Bildung der Diözese Mainz, Michael Witti - Anwalt für Menschenrechte, Apostolische Nuntiatur in Berlin, Deutsche Bischofskonferenz (DBK), Katholisch-Soziales Institut (KSI), Kontemplative Schwestern vom Guten Hirten, Päpstliches Komitee für Geschichtswissenschaften, Radio Vatikan, Radio X



Liebe Nongrata,
wir, die Würmer, finden gewisse Fragen, die die Menschen sich stellen, schon ziemlich erstaunlich. So stießen wir am 25. Juni auf die Rede eines Henryk M. Broder anlässlich der Verleihung des Ludwig-Börne-Preises, in der er gleich dreimal nach seiner Verrücktheit oder der der anderen fragte. Seine Rede war unter dem Titel "Bin ich verrückt, oder sind es die anderen?" in der FAZ veröffentlicht worden, ergänzt um den Untertitel: "Wer heute die Werte der Aufklärung verteidigen will, der muss intolerant sein und Grenzen ziehen."
Mein lieber Herr Gesangsverein, dachten wir, dieser Text interessiert Nongrata, den müssen wir uns einverleiben und an sie weiterleiten. Für Verrücktheit und besonders auch für die Aufklärung hat sie ein Faible. Das ist doch so, oder?
Also lasen wir die Rede mit großer Aufmerksamkeit und gelangten zu dem Satz "Wer heute die Werte der Aufklärung verteidigen will, der muss intolerant sein, der muss Grenzen ziehen und darauf bestehen, dass sie nicht überschritten werden." Aber darauf, liebe Nongrata - es ist uns immer noch unverständlich, und es macht uns auch traurig - folgt nicht ein einziger Satz wider die in diesen Tagen praktizierte Folter durch unsere zum Vorbild erhobene demokratische Welt. Dabei weiß doch jeder Wurm:
das Ringen und der Kampf für die Abschaffung der Folter war eines der wichtigsten Anliegen der europäischen Aufklärer.
Anlässlich des Tages des Kampfes gegen die Folter h
at die Zeitung "Junge Welt" einen lehrreichen Artikel des Historikers Alexander Bahar ins Netz gestellt.
"Barbarisch, ungerecht". Kritik der Folter. Teil I: Beschreibung eines Kampfes; http://www.jungewelt.de/2007/06-26/004.php
Mühsames Ringen. Kritik der Folter. Teil II: Gegen die Vorherrschaft von Kirche und Theologie; http://www.jungewelt.de/2007/06-27/025.php
Aufweichung eines Verbots. Kritik der Folter (Teil III und Schluss): Wiederkehr und Normalität einer überwunden geglaubten Praxis; http://www.jungewelt.de/2007/06-28/001.php
A propos Kirche: auch dem Papst war es offensichtlich ein Leichtes, das Thema Folter auszuklammern, als er letzten Samstag die Professoren und Rektoren europäischer Universitäten empfing. Für die T
eilnehmer der internationalen Tagung "Ein neuer Humanismus für Europa. Die Rolle der Universitäten." dozierte er über Europa als "echte Wiege des Humanismus", die auf den Werten des Christentums gründe - und über den "Humanismus der Zukunft".
Womöglich wird Henryk M. Broder, der sich - wie er gleich zu Beginn seiner Rede in der Paulskirche ausführte - in die "Hall of fame der großen Geister" unterwegs sieht, bald vom Papst empfangen - etwas, das Dir, Nongrata, und uns, den Würmern, natürlich nie widerfahren wird. Gott sei Dank, denn manchmal ist auch Gleichstellung störend.
Mit einem Empfang bei einem Papst, der charmant und liebenswert mit den Herren und Befürwortern der Folter parliert und für die Gefolterten nicht eintritt, kann man doch nicht zufrieden sein. Einen Papst, der die Fernhaltung des Sperma von der Eizelle durch Kondome verbietet (nicht aber durch widernatürliches zölibatäres Verhalten ! ), und der andererseits schweigt, wenn von Gott geschaffene Seelen und Leiber bis hin zur Zerstörung gefoltert werden, der aber dennoch so große Worte wie "Zivilisation der Liebe" im Munde führt - einen solchen Papst finden wir, die Würmer, intellektuell verdreht.
Übrigens, in dem oben erwähnten Artikel steht zu lesen: "Das gesetzliche Verbot der Folter ist damit ein Spezifikum der europäischen Kultur. Sie ist es allerdings in zunehmendem Maße nur auf dem Papier. Beim Blick auf die Realität zeigt sich eine wachsende Diskrepanz zwischen der weltweiten Ächtung der Folter durch internationale Konventionen und nationale Verfassungsgebote auf der einen Seite und der globalen Anwendung und ihrer stillschweigenden Duldung – gerade auch durch demokratisch verfaßte Rechtsstaaten."
Hier ist anzumerken: Die Bundesregierung Deutschland hat das Zusatzprotokoll zur Un-Konvention gegen Folter vom Dezember 2002 bisher weder unterzeichnet noch ratifiziert. Dieses "fakultative" Protokoll enthält mehrere verbindliche Normen, einschließlich einer unerlässlichen Überprüfung von Gefängnissen durch ein System internationaler und nationaler Beobachter. Warum die Bundesregierung so zögerlich ist, versteh mal ein Wurm.

Ceterum censimus, tormentum bellumque et bellum et tormentum esse interdicenda.
Mit wurmlangen Grüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüßen
vermiculiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii tuiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii

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FOLTER-IST-UNMORALISCHER-ALS-MORD
Petter-Moen-Petter-Moens-Tagebuch


Der-Jude-Petter-Moen-wurde-1901-geboren-und-starb-1945-
Er-war-
Leiter-der-illegalen-Presse-in-Norwegen-während-des-zweiten-
Weltkrieges-Nach-seiner-Gefangennahme-durch-die-Gestapo-wurde-
er-in-einer-Isolationszelle-im-Gestapo-Hauptquartier-Møllergata-19-
in-Oslo inhaftiert-Dort-schrieb-er-sein-Tagebuch-indem-er-Buchstaben-
mit-einer-Reiszwecke-in-Toilettenpapier-einritzte-und-die-Blätter-dann-
in-einem-Entlüftungsabzug-hinunterließ-um-sie-nie-wieder-zu-sehen

1500-Blätter-fand-man-nach-dem-Krieg.


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