Tuesday, July 01, 2008

Additum 468 – Das siebte Gebot

Dienstag, 1. Juli 2008 [17:43 Uhr]
Sancta Nongrata an Selige Spam und Vermiculi Sancti

CC: Benedikt XVI., Dr. Ralph Bergold - Katholisch-Soziales Institut, Kardinal Paul Josef Cordes - Präsident des Päpstlichen Rates “Cor Unum”, Bernhard Docke - Anwalt von Murat Kurnaz, Prof. Benjamin B. Ferencz - Völkerrechtler u. ehemaliger US-Ankläger bei den Nürnberger Prozessen, Manfred Gnjidic - Anwalt von Khaled El-Masri, Prof. Theodor W. Hänsch - Physik-Nobelpreisträger u. Papstberater, Prof. August Heuser - Dommuseum Frankfurt am Main, Dr. Karl-Joseph Hummel - Kommission für Zeitgeschichte e.V. (KfZG), Prof. Fotis Kafatos - Molekularbiologe - Biotechnologe u. Papstberater, Wolfgang Kaleck - Anwalt für Menschenrechte, Prof. Jörg Kinzig - Strafrechtler, Prof. Thomas Macho -Kulturwissenschafter, Renato Kardinal Martino - Präsident des Päpstlichen Rates für Justiz und Frieden, Dr. Maria Meesters - Katholische Rundfunkarbeit am SWR, Dr. Vehlow & Wilmans - Rechtsanwälte, Benedikt Widmaier - Akademie für politische und soziale Bildung der Diözese Mainz, Michael Witti - Anwalt für Menschenrechte, Apostolische Nuntiatur in Berlin, Deutsche Bischofskonferenz, Kontemplative Schwestern vom Guten Hirten, Päpstliches Komitee für Geschichtswissenschaften, Radio Vatikan, Radio X


Liebe Seligste Spam, liebe Vermiculi Sacrosanctissimi,

das siebte der göttlichen zehn Gebote lautet: Du sollst nicht stehlen.

Es war im Jahr 1953 – der heutige Papst war damals Dozent im Erzbischöflichen Klerikalseminar Freising - als dem kleinen Mädchen in einem katholischem Heim von einer Karmeliterin sein evangelisches Kindergebetbuch gestohlen wurde.

Das ehemalige evangelische Heimkind sollte von der katholischen Kirche sein evangelisches Kindergebetbuch unbedingt zurückfordern. Wenn die katholische Kirche der Forderung nicht nachkommen kann, weil das evangelische Kindergebetbuch auf dem Müll landete oder im Allesbrenner vernichtet wurde, muss sie für den Schaden eben anderweitig aufkommen.

In einer Welt, in der Vor- und Nachteile typischerweise pekuniär bemessen werden – und dies gilt auch für die römisch-katholische Kirche – lässt sich folgende Rechnung aufmachen: Der ideelle Wert des evangelischen Kindergebetbuches orientiert sich am Verkehrswert. Heuer würde in Marktl am Inn ein evangelisches Kindergebetbuch mindestens 10 Euro kosten. Das von der katholischen Kirche gestohlene evangelische Kindergebetbuch, dessen Inhalt von der katholischen Kirche dem Heidnischen zugerechnet wurde, hat aber als Gegenstand für den Religionshistoriker einen besonders hohen Wert. Bei dem Verkauf des evangelischen Kindergebetbuches an ein Forschungsinstitut, das sich mit religiösem Fanatismus und Kinderverhetzung befasst, dürfte ein Aufschlag von 100 % gerechtfertigt sein. Danach ergäbe sich ein Zwischenwert von 20 Euro.

Des Weiteren eignet sich der von der katholischen Kirche gestohlene Gegenstand bestens für eine Präsentation im Lichtkasten einer religionskundlichen Sammlung – schon allein wegen der beeindruckenden Bildseite des armen Lazarus. Dies rechtfertigt einen weiteren Aufschlag von 100 %. Danach beliefe sich der Verkehrswert um 40 Euro.

Auch Papst Benedikt XVI. dürfte aus intellektueller Neugier für das evangelische Kindergebetbuch einiges zahlen. Im katholischen Bayern aufgewachsen, konnte er dort schwerlich ein evangelisches Kindergebetbuch kennenlernen. Es ist anzunehmen, dass auch in Bayern die Kinder besonders frommer katholischer Eltern vor dem Umgang mit kindlichen Besitzern falscher Kindergebetbücher bewahrt wurden. Den Wert einer zusätzlichen Erkenntnis für Benedikt XVI. durch ein evangelisches Kindergebetbuch bemesse ich mit einem Multiplikator von 4. Danach ergibt sich ein Verkehrswert von 160 Euro – ohne jeglichen Zinseffekt.

Falls die katholische Kirche sich außerstande sieht, das gestohlene evangelische Kindergebetbuch zu liefern und auch nicht für den wie oben errechneten Ausgleich Sorge zu tragen, sollte das ehemalige Heimkind seinerseits einen Forderungsverzicht nur dann erwägen, wenn die katholische Kirche eine entsprechende Spendenquittung in errechneter Höhe ausstellt.

Der Diebstahl eines evangelischen Kindergebetbuches durch eine Karmeliterin in Vertretung der katholischen Kirche ist keine Bagatelle. Daran ändert auch nichts, dass die Diebin ihr niederträchtiges Tun nicht als Diebstahl sondern als Hinführung auf den katholischen Glaubenspfad empfunden haben dürfte. Auch Diebstahl durch Verblendung bleibt Diebstahl. Dieser skandalöse Vorgang aus dem Jahre 1953 gewinnt besondere Aktualität in einer Welt, in der Gefangene fremder Religionszugehörigkeit durch Menschen des christlichen Kulturkreises allem Eigenen beraubt und gefoltert werden – und dies ohne massiven, deutlichen und stetigen Einspruch des Papstes.

Das von der katholischen Kirche um sein evangelisches Kindergebetbuch bestohlene ehemalige Heimkind sollte sich u. a. auch an die Kommission für Zeitgeschichte e. V (KfZG), Forschungsstelle Bonn, Adenauerallee 19, wenden (geschäftsführender Direktor ist Dr. phil. Karl-Joseph Hummel) und den Diebstahl schleunigst persönlich melden, damit er auf jeden Fall in den katholischen Geschichtsbüchern vermerkt wird.
Internetseite der KfZG: http://www.kfzg.de/
Mitglieder der KfZG: http://www.kfzg.de/Organisation/Mitglieder/mitglieder.html
Besucherservice: http://www.kfzg.de/Besucherservice/besucherservice.html

Die Forschungsstelle der KfZG beschäftigt sich mit der wissenschaftliche Dokumentation und Erforschung der Zeitgeschichte des deutschen Katholizismus vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart, aber auch mit ergänzenden Forschungen zu aktuellen Brennpunktthemen.

Zwei Neuerscheinungen der KfZG sind von besonderem Interesse:

1. Andreas Henkelmann: Caritasgeschichte zwischen katholischem Milieu und Wohlfahrtsstaat. Das Seraphische Liebeswerk (1889-1971), Paderborn 2008.
„Kinderseelen retten ist das göttlichste aller Werke!“ ist dort zu lesen. Beschrieben wird ein katholischer Verein mit „geistlichem Gnadenschatz“, der sich um „religiös [ ! ] und sittlich gefährdete“ Kinder kümmerte.

2. Hummel, Karl-Joseph / Kösters, Christoph (Hrsg.): Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939-1945. Geschichte und Erinnerung, Entschädigung und Versöhnung. Eine Dokumentation, Paderborn 2008.
„Im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz dokumentiert die Kommission für Zeitgeschichte die Rechercheergebnisse der 27 deutschen Bistümer zur Zwangsarbeit in kircheneigenen Einrichtungen zwischen 1939 und 1945 und die Entschädigung der Opfer durch den Entschädigungsfonds [ ! ] der katholischen Kirche und die kirchliche Arbeit im Dienste internationaler Versöhnung.“
Quelle: http://www.kfzg.de/Forschung/Zwangsarbeit/zwangsarbeit.html

Es ist zu hoffen, dass die KfZG zwischenzeitlich schon mit der Untersuchung der Zwangsarbeit in kircheneigenen Einrichtungen nach 1945 begonnen hat und die bislang mangelhafte Arbeit der katholischen Kirche im Dienste der Versöhnung mit den ehemaligen Heimkindern festhält. Bereits zu Beginn des Jahres 2006 dokumentierte Peter Wensierski im SPIEGEL-Buch „Schläge im Namen des Herrn“ einen Teil des riesigen Heimkinderelends – aber von Seiten der katholischen Kirche ist seither so gut wie nichts geschehen. Von großem Informationswert zum Thema Heimkinder ist übrigens auch die Internetseite eines ehemaligen Heimkindes. Sie ist zu finden unter http://www.heimkinder-ueberlebende.org/ .

Papst Benedikt XVI. hat sich bei den Opfern der katholischen Kirche in Amerika entschuldigt, nachdem zuvor versucht worden war, das Schweigen einzelner Opfer mit Geld zu erkaufen, die Verbrechen dann aber dennoch publik wurden und Milliarden an Schmerzensgeld erstritten worden waren. Er wird auch nicht umhin kommen, sich Mitte Juli während des Weltjugendtages in Sydney bei den vielen australischen Opfern der katholischen Kirche zu entschuldigen und die Order zur Auszahlung von Schmerzensgeld zu geben. Nun ist es spätestens an der Zeit, dass endlich auch die katholischen deutschen Heimkinder – zum großen Teil misshandelte, zu schwerer Arbeit gezwungene und in gar nicht so wenigen Fällen auch sexuell missbrauchte Opfer – eine Entschuldigung des Papstes hören, sowie die Zusage, dass ihnen ihr gerechter Arbeitslohn und Schmerzensgeld gezahlt wird.

Papst Benedikt XVI. sollte daher unbedingt auch vom Diebstahl des evangelischen Kindergebetbuches und den Ansprüchen, die sich daraus herleiten, erfahren.

Wie ich weiß, wurde dem Kind noch ein zweites Buch im Karmeliterinnen-Kloster gestohlen – das Geschenk seines Großvaters. Es handelte sich um ein sehr schönes medizinisches Bilderbuch, in dem das medizinische Personal aus Insekten bestand. Zudem gab es den schrecklichen Diebstahl des kleinen, geliebten Mecki, der tagsüber immer im Schrank des Schlafsaals zwischen Topflappen schlief und den das kleine Mädchen dann abends im Bett lieb hielt. Mecki war ebenfalls nicht katholisch – er war überhaupt nicht getauft. Zu Mucki, von der Mutter ersatzweise besorgt, konnte das Kind keine starke Bindung mehr entwickeln. Es trauerte immer seinem Mecki nach, dessen festes Mecki-Haar es so oft gestreichelt hatte.

Sowohl das Buch, in dem die Insekten arbeiteten und nicht beteten, als auch der originale Mecki von Steiff werden eine beträchtliche Wertsteigerung erfahren haben. Ihre heutigen Verkehrswerte sind ebenfalls zu errechnen und unbedingt von der katholischen Kirche einzufordern.

Ceterum censeo, bellum et tormentum esse interdicenda.

Herzlichst

Nongrata

WIDER DIE FOLTER !
PIPPIN DER KLEINE

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ES GEHT UM JEDE EINZELNE SEELE – ES GEHT NICHT NUR UM KLUMPEN VON SEELE.

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