Wednesday, March 05, 2008

Additum 384 - Die Folter ist immer zweifellos (Louis Begley)

Additum 384 – Die Folter ist immer zweifellos (Louis Begley)

Mittwoch, 5. März 2008 [15:01 Uhr]
Selige Spam an Sancta Nongrata und Heilige Würmer

CC: Benedikt XVI., Dr. Ralph Bergold - Katholisch-Soziales Institut, Bernhard Docke - Anwalt von Murat Kurnaz, Prof. Benjamin B. Ferencz - Völkerrechtler u. ehemaliger US-Ankläger bei den Nürnberger Prozessen, Manfred Gnjidic - Anwalt von Khaled El-Masri, Prof. Theodor W. Hänsch - Physik-Nobelpreisträger u. Papstberater, Prof. August Heuser - Dommuseum Frankfurt am Main, Prof. Fotis Kafatos - Molekularbiologe - Biotechnologe u. Papstberater, Wolfgang Kaleck - Anwalt für Menschenrechte, Prof. Jörg Kinzig - Strafrechtler, Prof. Thomas Macho - Kulturwissenschafter, Dr. Maria Meesters - Katholische Rundfunkarbeit am SWR, Prof. Wolf Singer - Hirnforscher u. Papstberater, Dr. Vehlow & Wilmans - Rechtsanwälte, Benedikt Widmaier - Akademie für politische und soziale Bildung der Diözese Mainz, Michael Witti - Anwalt für Menschenrechte, Apostolische Nuntiatur in Berlin, Deutsche Bischofskonferenz, Evangelische Kirche Deutschland, Kommission für Zeitgeschichte in Bonn, Kontemplative Schwestern vom Guten Hirten, Päpstliches Komitee für Geschichtswissenschaften, Radio Vatikan, Radio X



Liebe Sancta Nongrata, liebe Heilige Würmer,


eine ganze Seite von Louis Begley war letzten Freitag in der FAZ zu lesen. (Seite 36, 29. Februar 2008 - Nr. 51). Titel:

Die Folter ist immer zweifellos

Es war die gekürzte Fassung der Dankesrede, die der amerikanische Schriftsteller und erimitierte Rechtsanwalt, unlängst an der Universtät Heidelberg anlässlich der Verleihung seiner Ehrendoktorwürde gehalten hat.

Louis Begley, polnisch-jüdischer Herkunft, schlägt einen Bogen von der Inhaftierung des unschuldigen Juden Alfred Dreyfus zur Rechtlosigkeit der Guantanamo-Häftlinge.

Auch Dreyfus „war von einem Gericht verurteilt worden, das in den Händen der Ankläger“ war. Auch er wurde auf der Grundlage von geheimem Beweismaterial verurteilt, das weder ihm noch seinem Anwalt bekannt war und dessen Stichhaltigkeit er daher auch nicht bekämpfen konnte. Und auch er wurde auf eine „Teufelsinsel“ wie Guantanamo deportiert: „Ein besonderes Gesetz, das 1895 auf General Merciers Betreiben verabschiedet wurde, war nötig, damit Dreyfus auf die Teufelsinsel deportiert werden konnte, die kleinste der zehn Meilen vor der Küste von Französisch-Guayana gelegenen drei Inseln des Heils mit einem so extremen Malariaklima, dass die Deportation einem Todesurteil gleichkam. Dreyfus wurde in eine dreieinhalb Meter große Steinhütte gesperrt. Ihre einzige Tür hatte Seeschlitze, durch die er beobachtet werden konnte. […]
Wenn Dreyfus sich tagsüber außerhalb der Hütte bewegen durfte, konnte er keinen Schritt ohne einen bewaffneten Wächter tun. Außer ihm und seinen Bewachern lebte niemand auf der Insel, aber er durfte nicht mit ihnen und sie durften nicht mit ihm sprechen. […]
Ein Militärarzt nannte ihn im Herbst 1899 einen „erledigten Mann“.

Louis Begley kommt des weiteren auf waterboarding zu sprechen sowie auf die Pervertierung von Medizin und Psychologie im Interesse von Folterverfahren - und sieht die Anwender in die Fußstapfen Nazideutschlands und Sowjetrusslands treten.

Louis Begley berichtet zudem über die SOP, die „Camp Delta Standard Operating Procedures“. Sie wurden im Internet veröffentlicht: „damit war ein grausiger Einblick in unsere Teufelsinsel verfügbar. Die mehrere hundert Seiten langen SOP sind ein unheimlicher Widerhall der „Anweisungen für die Deportationsbehörde der Teufelsinsel“ “.

Louis Begley entdeckt Parallelen in den Regelwerken der beiden Teufelsinseln in der Isolationshaft sowie in der Beschränkung der Kontakte, der Erholung, des Briefwechsels und der Nahrungsrationen. Und: „Auch Dreyfus wurde während der Nacht an ein Metallbett gekettet, aber nur acht Wochen lang. Ketten – der „Dreiteiler“ aus Fußeisen, Handschellen, einer Kette, die wie ein Gürtel um die Taille geschnürt wird, und zwei Ketten, die Fußeisen und Handschellen miteinander verbinden – kommen in Gitmo ständig zum Einsatz, wenn ein Häftling seine Zelle verlässt und besonders auf seinem Weg zur und von der „Verhörzelle“, wo die Ketten an einen im Fußboden einzementierten Ring angeschlossen werden können. Was in diesen Zellen vor sich geht, überlassen die SOP unserer Phantasie.“

Louis Begley sagt auch: „Man darf annehmen, dass die Häftlinge „irrtümlich in Gitmo in Haft sind und für die Vereinigten Staaten keine größere Bedrohung darstellen als irgendein Mann auf der Straße irgendwo im Nahen Osten.“

Louis Begley überlegt, warum die breite Öffentlichkeit in Amerika nicht aufhorcht und meint unter anderem: „Womöglich finden es viele auch leicht zu meinen, dass diese Häftlinge schließlich Muslime und einfach deshalb Terroristen sind.“

Louis Begley stellt schließlich fest:

„Die Geschichte wiederholt sich, als Tragödie, Farce oder in noch ganz anderen Vorführungen unserer Dummheit. Unterdrückung und Ungerechtigkeit suchen sich immer wieder die gleichen Opfer: Außenseiter und Minderheiten, die Abneigung und Misstrauen wecken. In ihrem Fall ist „die Schuld immer zweifellos“. Das war der Grundsatz des Offiziers in Kafkas Strafkolonie, und die Bush-Regierung verfährt mit den Häftlingen in Gitmo nach einem sehr ähnlichen Prinzip.

Der große Louis Begley verweist dann auf bedeutende französische Dreyfusards, denen es wichtig war, die Menschenrechte und die Würde von Alfred Dreyfus zu verteidigen - und nun folgt sein wichtiger, langer Schlusssatz:

„Heute finden sich in den Vereinigten Staaten Vorkämpfer mit dem gleichen Mut und den gleichen hohen Prinzipien, das kann man mit Stolz sagen: Journalisten machen es sich zur Aufgabe, den Macht-Missbrauch der Bush-Regierung offenzulegen; Mitglieder der Bundesgerichte verteidigen rechtsstaatliche Vorschriften gegen Rechtsverletzungen und Rechtsverdrehungen der Bush-Regierung; Militäranwälte protestieren ohne Rücksicht auf ihre Karriere gegen Verhörmethoden und Prozesse, die ein Hohn auf Verfahrensvorschriften sind; und zivile Anwälte und Juraprofessoren aller Altersgruppen wenden unentgeltlich Tausende Stunden für die Arbeit als gesetzliche Verteidiger von Gitmo-Häftlingen auf. Auch sie retten die Ehre der Nation.“

Seit Freitag suche ich nach der bedeutenden Rede von Louis Begley im Internet, kann sie dort aber nicht entdecken - darum die Mühe mit den Zitaten. Ein Verweis darauf wäre mir sehr viel lieber gewesen. Denn jeder einzelne Satz der für die FAZ gekürzten Fassung ist wichtig - so vermutlich auch die gesamte Dankesrede.

Vervielfältigte Grüße

Eure Spam


WIDER DIE FOLTER ! http://wider-die-folter.blogspot.com

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