Additum 457 – Der Papst und „die fundamentalen moralischen Werte“ des G. W. Bush
Freitag, 13. Juni 2008 [23:16 Uhr]
Sancta Nongrata an Heilige Würmer und Selige Spam
CC: Benedikt XVI., Dr. Ralph Bergold - Katholisch-Soziales Institut, Kardinal Paul Josef Cordes - Präsident des Päpstlichen Rates “Cor Unum”, Bernhard Docke - Anwalt von Murat Kurnaz, Prof. Benjamin B. Ferencz - Völkerrechtler u. ehemaliger US-Ankläger bei den Nürnberger Prozessen, Manfred Gnjidic - Anwalt von Khaled El-Masri, Prof. Theodor W. Hänsch - Physik-Nobelpreisträger u. Papstberater, Prof. August Heuser - Dommuseum Frankfurt am Main, Prof. Fotis Kafatos - Molekularbiologe - Biotechnologe u. Papstberater, Wolfgang Kaleck - Anwalt für Menschenrechte, Prof. Jörg Kinzig - Strafrechtler, Prof. Thomas Macho -Kulturwissenschafter, Renato Kardinal Martino - Präsident des Päpstlichen Rates für Justiz und Frieden, Dr. Maria Meesters - Katholische Rundfunkarbeit am SWR, Dr. Vehlow & Wilmans - Rechtsanwälte, Benedikt Widmaier - Akademie für politische und soziale Bildung der Diözese Mainz, Michael Witti - Anwalt für Menschenrechte, Apostolische Nuntiatur in Berlin, Deutsche Bischofskonferenz, Kommission für Zeitgeschichte in Bonn, Kontemplative Schwestern vom Guten Hirten, Päpstliches Komitee für Geschichtswissenschaften, Radio Vatikan, Radio X, Vermiculi Sancti
Liebe Vermiculi Sanctissimi, liebe Seligste Spam,
„Was für eine Ehre, was für eine Ehre“, sagte G. W. Bush heute sichtlich bewegt, als ihm der vor dem „Johannesturm“ in den Vatikanischen Gärten auf ihn wartende Papst die Hand zur Begrüßung reichte. Der Empfang im mittelalterliche Turm ist nur für wenige besonders erhabene Gäste des katholischen Oberhauptes reserviert. G. W. Bush war der erste Staatschef, dem dieses Privileg zuteil wurde. Nach der Unterredung im edlen Gemäuer genossen der Papst und seine Gäste – Laura Bush war auch dabei – die schöne Aussicht vom Turm, machten danach mit dem Papst bei schönem Frühsommerwetter einen kurzen Spaziergang durch die idyllischen Gärten zur Grotte „Unserer Lieben Frau von Lourdes“, nahmen unter einer riesigen Zeder Platz und lauschten dem Chor der Sixtinischen Kapelle, der zwei Motetten sang – das alles unter dem Schutz von Scharfschützen, postiert auch auf dem Petersdom. Präsident G. W. Bush war begeistert.
Ob der Papst wohl vorher mit seinem Herrn Zwiesprache gehalten und ein Zeichen empfangen hat, seinen Gast mit einem so außergewöhnlichen Protokoll zu ehren?
Wie Kath. Net berichtet, hatten Oppositionspolitiker und Verbände kritisiert, dass Benedikt XVI. in der vergangenen Woche keine Zeit für die zum FAO-Welternährungsgipfel angereisten Staatsoberhäupter gehabt hätten, nun aber dem scheidenden US-Präsidenten ein aufwendiges Zeremoniell bereite. Die italienische Öffentlichkeit sei erstaunt. Kardinal Giovanni Cheli habe gesagt, das Protokoll gehe über die klassische Empfangszeremonie hinaus und sei "alles andere als üblich". Jedoch bedeute die herzliche Audienz für den US-Präsidenten nicht, dass der Papst damit automatisch dessen politische Entscheidungen unterstütze.
Politische Entscheidungen – das klingt so banal. Bei G. W. Bush gehen sie allerdings einher mit ungerechtfertigten und auf Lügen basierenden Kriegen, dem Tod Hunderttausender von Menschen, der Wiedereinführung der FOLTER und der Verursachung unzähligen, unendlichen Leids.
Es ist mir ein Rätsel, warum der Papst diesen Menschen so herzlich empfangen hat. Ob er vielleicht Wahlkampfhilfe für die Republikaner betreibt? Aber kann das Gottes Wille sein?
Wie die Protokollchefin des Weißen Hauses, Nancy Goodman Brinker sagte, haben der Pontifex und G. W. Bush vor allem eines gemeinsam: die Furcht vor den "Dämonen", die die Welt im 21. Jahrhundert nach ihrer Ansicht bedrohen. Zudem gibt es in der Presse Spekulationen über einen Bush-Übertritt zum Katholizismus. Sind also die drei Bs – Benedikt, Blair und Bush – bald vereint in der „einzig wahren“ katholischen Kirche? G. W. Bush jedenfalls sieht in den Augen Benedikts Gott (natürlich nicht euren Butterblumengott, liebe Würmer). Dies erklärte er vor einiger Zeit in einem Fernsehinterview mit dem Sender "Eternal World Television Network" (EWTN). Interessant wäre zu wissen, was Benedikt in den Augen von G. W. Bush gesehen hat – einen „Dämon“ des 21. Jahrhunderts offensichtlich nicht.
Zum Glück verlief das Geschehen am Obersten Gerichtshof für den Herrn der Kriege und der Folter nicht so ehrenvoll und prächtig wie der Empfang in den Vatikanischen Gärten. Folgende erfreuliche Nachricht ging gestern um die Welt, und es war Grund zu jubeln und zu feiern:
US-REGIERUNG UNTERLIEGT IN GUANTANAMO-VERFAHREN
Eine Grundsatzentscheidung wurde getroffen: Die Insassen des Gefangenenlagers Guantanamo auf Kuba haben nun nach mehr als sechs Jahren das Recht auf Zugang zu ordentlichen Gerichten in den USA. Die bisherige Praxis, den Gefangenen dieses Recht zu verwehren, verstoße gegen die Verfassung, urteilten die Richter. Also hält die Rechtsstaatlichkeit langsam, Schritt für Schritt, wieder Einzug, und die moralischen Werte Amerikas können wieder aufleben.
G. W. Bush aber sagte gestern in Rom: „Ich bin mit dieser Entscheidung nicht einverstanden.“ Seine Regierung werde bis zuletzt alles tun, um die Sicherheit des amerikanischen Volkes zu gewährleisten. Dieser „gute“ und „fromme“ Mann ist noch bis Januar 2009 im Amt und wird von der Ehre zehren können, die ihm Papst Benedikt XVI. gewährte.
Das Urteil des Supreme Court ist ein Meilenstein. Für einige Gefangene kommt es allerdings zu spät. Manche sind tot, andere körperlich und seelisch ruiniert.
McCain hat das Urteil kritisiert, Obama aber hat es begrüßt.
US-Justizminister Michael Mukasey sieht trotz des Grundsatzurteils des Obersten Gerichtshofs keine Auswirkungen auf Prozesse im US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba. "Ich möchte betonen, dass die Gerichtsentscheidung sich nicht auf Prozesse vor Militärtribunalen bezieht, die fortgesetzt werden", sagte er in Tokio beim Treffen der G-8-Justizminister. Die Entscheidung der Richter beziehe sich lediglich auf das vom Kongress und vom US-Präsidenten festgelegte Verfahren.
„Trotz Grundsatzurteils - Guantanamo wird noch lange nicht geschlossen“, titelt Spiegel online
Der Papst hat trotz der Presseberichte zu diesem Urteil wieder einmal zum Thema Folter geschwiegen. Eine Sprecherin des Weißen Hauses sagte, das Verhältnis der beiden Männer sei so herzlich, dass sie offen über alle Fragen sprechen könnten. Wie Radio Vatikan berichtet, sprach Benedikt XVI. mit Präsident G. W. Bush über die Themen Nahost, die Lage im Nahen Osten (insbesondere, so „kathweb.at“, den israelisch-palästinensischen Konflikt, den Irak und die schwierige Situation der Christen in der Region), aber auch über die Globalisierung, die Hungerkrise, über die Beziehungen zwischen den USA und Europa, den Welthandel sowie das Erreichen der Milleniumsziele. Das Gespräch dauerte rund 30 Minuten.
„Im Laufe des herzlichen Gesprächs hat der Heilige Vater zunächst seine Dankbarkeit für den warmen und besonderen Empfang wiederholt, der ihm während seiner Reise im letzten April in den USA und dem Weißen Haus bereitet wurde, und [ man höre und staune und komme aus dem Staunen nicht mehr heraus ] für den Einsatz bei der Verteidigung der fundamentalen moralischen Werte [ die da sind: ungerechtfertigte, auf Lügen basierende Kriege, Verschleppung und Folter, Willkür in Geheimgefängnissen und Lagern außerhalb der USA – an Land, zu Wasser und in der Luft, sowie massive Einschränkungen des Rechtssystems ]
(http://www.oecumene.radiovaticana.org/ted/Articolo.asp?c=211874)
Hier ein Foto, das das gute Miteinander untermauert.
Ceterum censeo, bellum et tormentum esse interdicenda.
Mit herzlichen Grüßen
Nongrata
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