Thursday, November 22, 2007


Additum 320 - Die zehn Gebote in den Staub treten


Mittwoch, 21. November 2007 [17:02 Uhr]
Nongrata scribit vermiculis sanctis.

CC: Benedikt XVI., Dr. Ralph Bergold - Katholisch-Soziales Institut, Bernhard Docke - Anwalt von Murat Kurnaz, Manfred Gnjidic, Anwalt von Al Masri, Prof. Dr. Theodor W. Hänsch - Physik-Nobelpreisträger - Papstberater, Prof. Dr. August Heuser - Dommuseum Frankfurt am Main, Prof. Dr. Fotis Kafatos - Molekularbiologe - Biotechnologe - Papstberater, Wolfgang Kaleck - Anwalt für Menschenrechte, Prof. Dr. Jörg Kinzig - Strafrechtler, Prof. Thomas Macho - Kulturwissenschafter, Dr. Maria Meesters - Katholische Rundfunkarbeit am SWR, Prof. Dr. Wolf Singer - Hirnforscher - Papstberater, Dr. Vehlow & Wilmans - Rechtsanwälte, Benedikt Widmaier - Akademie für politische und soziale Bildung der Diözese Mainz, Michael Witti - Anwalt für Menschenrechte, Apostolische Nuntiatur in Berlin, Deutsche Bischofskonferenz, Evangelische Kirche Deutschland, Kontemplative Schwestern vom Guten Hirten, Päpstliches Komitee für Geschichtswissenschaften, Radio Vatikan, Radio X


Liebe Vermiculi sancti,

was haltet ihr von der Selbsttötung? In der katholischen Kirche ist der Freitod eine Todsünde. Die christliche Religion verbietet Selbstmord. Gott schenkt Leben, und Gott nimmt es auch. Gott allein darf entscheiden, wer wann stirbt. Ein Selbstmörder aber nimmt Gott die Entscheidung unentschuldbar ab.

Nun gibt es aber Kriegsherren, die Kriege veranlassen und dazu benötigte Menschen - als Soldaten
bezeichnet - in den Selbstmord treiben. So auch im aktuellen Irak-Krieg. Die Zahl der Ex-Armeeangehörigen, die während ihres oder nach ihrem Einsatz den Freitod wählten, ist höher als die Zahl aller US-Soldaten, die seit 2003 im Irak-Kampfeinsatz ums Leben kamen (http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,517568,00.html). Über den Irak-Krieg sagte Helmut Schmidt: "Es war ein Krieg der Wahl, nicht ein Krieg der Notwendigkeit" - eine Aussage, der die meisten Menschen dieser Welt wohl zustimmen dürften. Nun ist es aber so, dass Kriegsherren, die ohne Notwendigkeit Leben auslöschen lassen und unendliches Leid zu verantworten haben, aufs Freundlichste von Benedikt XVI. empfangen werden. Freitod also ist geächtet, aber diejenigen, die Menschen zu Kriegsmaschinen ausbilden, sie mit Drogen voll stopfen und in den Suizid treiben, sind geachtet. Schon im April nächsten Jahres wird der Papst wieder einmal mit dem Angriffskrieger George W. Bush zusammentreffen. Und der überzeugte Christ Tony Blair, der nach eigenen Angaben jeden Abend in der neben seinem Bett liegenden Bibel liest und der sich bei seinen politischen Handlungen auf Gott beruft, bekam neulich erst den Segen des Papstes mit einer Privatkommunion. Von diesem praktizierenden Christen ist bekannt, dass er dem Times-Journalisten David Aaronovitch im Rahmen einer Dokumentation sagte: "Ich wollte Krieg, es war das Richtige" (http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,517936,00.html). Er bekannte sogar, er habe "nie nach einem Ausweg gesucht. Es war das, woran ich glaubte, und ich glaube das immer noch". So verhöhnt man Menschen anderer Völker. So auch werden die zehn Gebote in den Staub getreten. Was, zum Teufel, berechtigte eigentlich diesen schrecklichen Menschen, ungestraft einen willkürlichen, auf Fälschungen und Lügen basierenden Krieg mit einem unglaublichen Elend anzuzetteln und den Herrn über das Leben anderer Menschen zu spielen? Kriegstreiberei, Plan-"Spiele" für Angriffskriege sowie die Kriege selbst und die dazu gehörende Folter lassen sich für eifrige Christen offenbar mit der Bibel in Einklang bringen. Warum nur bleiben die ja in der Tat guten christlichen Werte wieder einmal auf der Strecke? Wieso führen kriegerische Christen mit der Negierung dieser Werte ein geachtetes christliches Leben? Der Papst selbst ehrt "christliche" Kriegsherren, die die zehn Gebote in den Staub treten, durch die Gewährung von, ach, so harmonischen Privataudienzen. Die katholische Administration agiert offenbar doppelgesichtig. Was ist eine Audienz dann noch wert? Ein wahrer Christ ist wohl am ehesten unter den Deserteuren zu finden, aber einen Deserteur empfängt der Papst nicht. Der Deserteur ist ja ein machtloser Ungehorsamer im Gegensatz zu den Gehorsam einfordernden, einflussreichen Machthabern und steht zu unterst auf der Leiter.

Wie ihr, liebe Würmer, schon immer wisst, gilt mein tiefes Verständnis den ungehorsamen Deserteuren oder den seelisch Zerbrochenen, die den Freitod gewählt haben - aber in keiner Weise jenen, die mit lachendem Gesicht Kriege veranlassen und denen ihr heißes Kriegsspiel außer dem unfassbar großen Menschenleid auch noch die heillose Verseuchung der Umwelt mit Treibgasen und Uran sowie die Zerstörung von unschätzbaren Kulturgütern wert ist - ganz zu schweigen von den ungeheuren finanziellen Mitteln, die eben nicht für Hilfe und Entwicklung, sondern für Waffen ausgegeben werden. Der Anblick der lachenden Bs (Bush und Blair) allein könnte schon reichen, um den Glauben an die Welt zu verlieren und sich das Leben zu nehmen. Gerade überlege ich, ein Ehrenmal für die am Wahnsinn des Krieges zerbrochenen Menschen zu entwerfen. Integriert werden müsste ein Ächtungsmal für fanatische, christliche Kriegstreiber. In der Mönchzelle von Savonarola in Florenz hängt ein Gemälde, dass die Verbrennung des Savonarola unter Christenregie zeigt. Kinder rennen entsetzt weg. Das Kind, das hilflos schreiend auf der Stelle trampelt, fehlt auf dem Bild.


Ceterum censeo, bellum et tormentum esse interdicenda.

Mit herzlichen Grüßen

Nongrata

Wider die Folter: http://wider-die-folter.blogspot.com

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