Additum 337 - Von Drüber-Menschen und nicht-menschen
Montag, 31. Dezember 2007 [18:15 Uhr]
Vermiculi sancti scribint Nongratae
CC: Benedikt XVI., Dr. Ralph Bergold - Katholisch-Soziales Institut, Bernhard Docke - Anwalt von Murat Kurnaz, Manfred Gnjidic - Anwalt von Khaled El-Masri, Prof. Dr. Theodor W. Hänsch - Physik-Nobelpreisträger - Papstberater, Prof. Dr. August Heuser - Dommuseum Frankfurt am Main, Prof. Dr. Fotis Kafatos - Molekularbiologe - Biotechnologe - Papstberater, Wolfgang Kaleck - Anwalt für Menschenrechte, Prof. Dr. Jörg Kinzig - Strafrechtler, Prof. Thomas Macho - Kulturwissenschafter, Dr. Maria Meesters - Katholische Rundfunkarbeit am SWR, Prof. Dr. Wolf Singer - Hirnforscher - Papstberater, Dr. Vehlow & Wilmans - Rechtsanwälte, Benedikt Widmaier - Akademie für politische und soziale Bildung der Diözese Mainz, Michael Witti - Anwalt für Menschenrechte, Apostolische Nuntiatur in Berlin, Deutsche Bischofskonferenz, Evangelische Kirche Deutschland, Kommission für Zeitgeschichte in Bonn, Kontemplative Schwestern vom Guten Hirten, Päpstliches Komitee für Geschichtswissenschaften, Radio Vatikan, Radio X
Liebe Randheilige,
erst heute kommen wir wieder zum Schreiben; es wurde bereits sorgenvoll nachgefragt, ob wir schon in Guantanamo seien oder noch hier.
Ja, wir sind noch hier, obwohl in Guantanamo Plätze für Neuzugänge frei wurden. Das Gefangenlager wird noch weit über das kommende Jahr 2008 hinaus existieren - dies betätigte erst kürzlich der amerikanische Verteidigungsminister Robert Gates bei seiner Pressekonferenz zum Jahresabschluss in Washington. Die US-Regierung konnte keine Fortschritte bei der angekündigten Schließung des Lagers auf Kuba machen. Das Weiße Haus sei auf eine Reihe rechtlicher Probleme gestoßen. Also kombiniert unser Wurmverstand: Das Unrecht wird aus Rechtsgründen fortbestehen. Das Rechtsgeflecht bietet noch mindestens ein Jahr Schutz für das Unrecht namens Guantanamo. Juristen des Weißen Hauses machen es möglich.
Der Skandal dabei ist zum Einen die Perversion des Rechts durch das Konstrukt, dass das den Gefangenen widerfahrende Unrecht nicht beendet wird, mit der Begründung, irgendwelche so genannten Rechtsfragen seien noch zu klären - zum Anderen, dass die demokratischen Gesellschaften dieser Erde, ihre Repräsentanten und Parteien, es vorziehen, dies einfach - ganz einfach - nicht zur Kenntnis zu nehmen.
Das Foltern eines willkürlich zum nicht-menschen Degradierten - weil von irgendeiner Administration als Terrorist, oder als möglicher Terrorist, oder als vermutlich möglicher Terrorist bezeichnet - scheint zur "Friedenssicherung durch Folter" immer mehr rechtens zu werden. Das Menschenrecht und das Völkerrecht spielen beim Umgang des Drüber-Menschen mit nicht-menschen und böse-achse-völkern keine Rolle. Waterboarding, der Ersäufungsritus am nicht-menschen durch Drüber-Menschen wird nicht als Folter bezeichnet, allenfalls als eine notwendige, rauhe Taufe für nicht-menschen. Nicht nur die helle Empörung des Vatikans bleibt aus - nein, es gibt kaum Empörung von demokratischen Politikern. Dabei betreibt auch der Vatikanstaat immer wieder Politik - wie erst kurz vor Weihnachten mit seiner Zustimmung zu der bevorstehenden Sezession des Kosovo. (Hass auf Versailles, http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57112; Berlin und der Vatikan, http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57109) Das Ganze kann einen Wurm ziemlich grämen.
Denken wir aber zur Ablenkung lieber an die von dir erwähnten Postulatoren. Vielleicht haben sie schon dein Rand- und Spielbein studiert, um festzustellen, dass das eine auf festem Boden steht, das andere über irdischem Abgrund rudert. Eigentlich aber kannst du gar nicht abstürzen - deine Heiligsprechung hast du längst hinter dir und von einer Entheiligungssprechung haben wir noch nie gehört.
Vielleicht wissen ja die Postulatoren unseren Randstand zu schätzen und rufen uns einmal postulatorisch an. Für alle Mächtigen, Halbmächtigen, Viertelmächtigen sowie großen und kleinen Geheimdienste sind wir ja stets und überall zu orten.
Kürzlich erst versammelten wir uns um einen Tannenbaum. Der Raureif hatte die Bäume in eine Märchenwelt verzaubert. Zuvor hatte Papst Benedikt XVI. öffentlich gefragt: "Aber welchen Sinn hat das Weihnachtsfest, wenn wir nicht glauben und bekennen, dass im Kind von Bethlehem Gott Mensch geworden ist?" Der Intellektuelle stellte also den Sinn unseres uralten, fröhlichen Heidenfestes in Frage, obwohl er ganz genau weiß, dass die Festlegung der Geburt Christi auf den 25. Dezember willkürlich ist und das christliche Fest der Heiligen Familie unserem Heidenfest aufgepfropft wurde. Zweifellos sieht das Jesulein süß und rührend aus, aber der 25. Dezember bleibt nun mal das Datum unseres sinnhaften Festes zu Ehren der Natur - darauf bestehen wir, die heiligen Heidenwürmer.
Und nun einen guten Rutsch ins Neue Jahr. Hoffen wir, dass sich die Leitdemokratie der Folter unversehens wandelt. Denn selbst auch mit tausendmal mehr Gram können wir die Folterverbrechen nicht aufhalten. Hoffen wir, dass wenigstens Papst Benedikt im Jahr 2008 die Folter der USA anprangert, selbst wenn viele Gefolterte schon längst nicht mehr wissen, wer sie eigentlich sind.
Ceterum censimus, bellum et tormentum esse interdicenda.
Herzlichst
Vermiculi sancti
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FOLTER-IST-UNMORALISCHER-ALS-MORD
Petter-Moen-Petter-Moens-Tagebuch
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