Wednesday, January 09, 2008


Additum 342 - Teufelswahn

Mittwoch, 9. Januar 2008 [15:15 Uhr]
Nongrata scribit Vermiculis sanctis.

CC: Benedikt XVI., Dr. Ralph Bergold - Katholisch-Soziales Institut, Bernhard Docke - Anwalt von Murat Kurnaz, Manfred Gnjidic - Anwalt von Khaled El-Masri, Prof. Dr. Theodor W. Hänsch - Physik-Nobelpreisträger - Papstberater, Prof. Dr. August Heuser - Dommuseum Frankfurt am Main, Prof. Dr. Fotis Kafatos - Molekularbiologe - Biotechnologe - Papstberater, Wolfgang Kaleck - Anwalt für Menschenrechte, Prof. Dr. Jörg Kinzig - Strafrechtler, Prof. Thomas Macho - Kulturwissenschafter, Dr. Maria Meesters - Katholische Rundfunkarbeit am SWR, Prof. Dr. Wolf Singer - Hirnforscher - Papstberater, Dr. Vehlow & Wilmans - Rechtsanwälte, Benedikt Widmaier - Akademie für politische und soziale Bildung der Diözese Mainz, Michael Witti - Anwalt für Menschenrechte, Apostolische Nuntiatur in Berlin, Deutsche Bischofskonferenz, Evangelische Kirche Deutschland, Kommission für Zeitgeschichte in Bonn, Kontemplative Schwestern vom Guten Hirten, Päpstliches Komitee für Geschichtswissenschaften, Radio Vatikan, Radio X



Liebe Würmer,

wisst ihr eigentlich, dass ich Ex und Or (Zor) mit Hilfe von Kirchenlatein in Exus und Orus verwandeln konnte, wohingegen Zist widerspenstig spuckte und zischte, was seine teuflische Geschöpflichkeit beweist?

Ist euch bekannt, dass schon vor Jahren nach Angaben des Sachverständigen und ehemaligen Chefexorzisten der Diözese Rom, Prälat Corrado Balducci, 1.758.640.176 Teufel (in Worten: einemilliardesiebenhundertachtundfünfzigmillionensechshundertvierzigtausendeinhundertsechsundsiebzig) gezählt wurden? Wenn die Registrierung und Zählung eines jeden Teufels eine Minute in Anspruch nimmt - wieviele Arbeitstage mit jeweils 8 Arbeitsstunden wären das für fieberhaft arbeitende römische Geistliche? (Lösung s. unten)

Ist euch auch bekannt, dass der jetzige Chefexorzist des Vatikans, Pater Don Gabriele Amorth, in 21 Jahren über 70.000 (in Worten: siebzigtausend) Teufelsaustreibungen an
teufelsverseuchten Menschen durchgeführt hat? Selbst an Sonn- und Feiertagen ruht er nicht, "einschließlich Heiligabend und Ostern". "Als ich noch jünger war, schaffte ich im Schnitt 15, 16 Austreibungen pro Tag". Womöglich springen die ausgetriebenen Teufel nun unausgelastet und wütig in Rom herum und befallen in den viel besuchten Vatikanischen Museen ahnungslose Touristen. So kommt dann das Böse in die Welt. "Der Teufel ist in Fátima, in Lourdes, überall. Und ganz sicher ist er im Vatikan tätig, dem Zentrum des Christentums", sagte Amorth. Darum Vorsicht, liebe heilige Würmer: "Jeder ist ihm ausgesetzt. Selbst Mutter Theresa ist exorziert worden, in den letzten Jahren. Auch andere Heilige." Pater Amorth, der studierte Theologe und Jurist erklärt sich allerdings nicht für sonderlich gefährdet. Auf die Frage: "Bedroht er Sie", antwortete er in einem Interview: "Er sagt mir höchstens mal: 'Heute werfe ich dich aus dem Bett' oder 'Heute komme ich mit einer Schlange in dein Bett'. Aber bitte bleibt entspannt, liebe Würmer. Der Teufel sagte dem Chefexorzisten nicht: "Heute komme ich mit einem Wurm in dein Bett". Und so muss Amorth nicht mit Kirchenlehrer Bernhard von Clairveau sagen: "Es ist ja das große Glück, den Wurm dann zu spüren, wenn er noch vernichtet werden kann".

Das Rituale Romanum, das Handbuch für Exorzisten aus dem Jahre 1614, hat einen Zusatz für Bischöfe und bevollmächtigte Priester: "Gestützt auf die heilige Gewalt unseres Amtes". Und Heilige Gewalt wird ausgeübt in Nachfolge des sanften Jesus von Nazareth. "Er war der erste Exorzist", sagte Amorth.

Teufelsaustreibungen nimmt Pater Don Gabriele Amorth, Gründer der "Internationalen Gesellschaft der Exorzisten", in einem Kloster am römischen Stadtrand vor. Menschen mit Satansbefall werden durch dunkle, fensterlose Korridore hinter eine mit Tüchern verhängte Glastür geführt und nehmen in einem Wartezimmer auf abgerutschten Stühlen Platz. Die Wände zeigen zentimeterbreite Risse - vielleicht vom Beben, wenn der Teufel entwich. Das Exorzismuszimmer ist ein nur neun Quadratmeter enger Raum, ähnlich einer Kapelle. Dort tritt Pater Amorth dem Teufel im Priestergewand mit lila Stola entgegen. Besessene sitzen ihm entweder gegenüber oder werden auf eine grüne Pritsche gefesselt. Dazu hat der Teufelsaustreiber schmutzige, ausgeleierte Rolladenschnüre in einem Korb. Auch ein Mädchen, das der Teufel nach der Teufelsaustreibung durch Papst Paul II. wieder zurückeroberte, wird von ihm behandelt. Pater Amorth weiß natürlich: "Erst Exorzismen zeigen, ob der Teufel in einem steckt". Schreie und Spucken sind ihm ein Indiz für den Teufel. Allerdings beschwerten sich die Nachbarn der Schreie wegen. Darum hat der Exorzist neuerdings für die schweren Fälle einen weiteren kleinen, weiß gefliesten Behandlungsraum in der "Kirche der Unbefleckten Empfängnis auf dem Esquilin", mitten in Rom an einer lauten Strasse. Dort hat er "fünf, sechs Helfer, falls jemand gewalttätig wird. Da können sie schreien".

Es ist die einflussreiche katholische Weltkirche mit Macht über viele einfache Menschen - also keine Sekte - die den Exorzismus betreibt und ihn in Zukunft vermehrt nutzen will. Dies soll hier betont werden. Es ist eine Kirche, die im Vatikan die Päpstliche Akademie der Wissenschaften betreibt. Dieser Institution gehören 80 auf Lebenszeit berufene Mitglieder an, die aus den anerkanntesten wissenschaftlichen Kapazitäten der Welt ausgewählt wurden. Sie tragen den Titel Exzellenz und beraten den Papst.
Fragt sich nur, wer berät hier wen? Der Papst die Berater oder die Berater den Papst?

Vielleicht könnten... kombiniere, kombiniere... seitens der vatikanischen Geistlichkeit auch Teufelsträger unter den äußerst renommierten Kapazitäten ausgemacht werden... Es gibt ja, so sagt Amorth, "satanische Sekten dort"... im Vatikan... Interessant wäre herauszufinden, welchen Autotyp welcher Teufel bei welchem Besuch am liebsten fährt... Vielleicht müsste man die lebenslänglichen Akademieexzellenzen einem "Grande esorcismo" unterziehen und in ein "Beruhigungszimmer" einsperren... Denn "erst Exorzismen zeigen, ob der Teufel in einem steckt"... Mit der gleichen Logik könnte man auch Jedefrau und Jedermann prophylaktisch foltern...

Chefexorzist Amorth, aber vor allem auch der Denker Papst Benedikt XVI., der die Exorzisten am 14. September 2005 bei der Generalaudienz auf dem Petersplatz ermutigte, "mit ihrem wertvollen Dienst an der Kirche fortzufahren", wollen vielleicht das Verstörendste und Abgründigste nicht wahrhaben: Es ist immer nur der Mensch, nie der Teufel, der am Werk ist -
so auch in Guantanamo, wo es zu Schreien, Weinen, Toben und Spucken von Gefangenen kommt und wo Gefangene angeschrieen und in ihr Essen sowie auf ihren Koran gespuckt wird.

Es ist der Mensch, der sich schonungslos selbst betrachten und studieren muss.

Ceterum censeo, bellum et tormentum esse interdicenda. Und außerdem bin der Meinung, dass der Exorzismus verboten werden muss.

Und nun seid herzlich gegrüßt, meine lieben Exzellenzen Wurmkapazitäten, die ihr meine Zuneigung besitzt.

Nongrata

Lösung: In 8 Stunden (= einem Tag) lassen sich 480 Teufel registrieren. Für 1.758.640.176 Teufel braucht man dann 3.663.834 Tage. Unterstellt man nun 250 Arbeitstage pro Jahr, müssten 14.655 geistliche Mitarbeiter die Registrierung innerhalb eines Jahres erledigen können - das ist doch nicht zuviel verlangt, oder?

Quellen:
Walter de Geregorio: Interview mit Pater Gabriele Amorth. Weltwoche, 3. 6. 2004
http://www.exorzismus.net/Pater_Amorth6.htm
Andreas Englisch: Der Chef-Exorzist des Papstes. Hamburger Abendblatt, Aus aller Welt, 16. 9. 2004 http://www.exorzismus.net/Pater_Amorth7.htm
Jesus.de: Polen: Katholische Kirche plant Exorzismus-Zentrum, 18. 12. 2007 http://eins.scm-digital.net/show.sxp/3990_exorzismus-zentrum_in_polen_geplant.html
Alexander Smoltczyk: Auf Teufel komm raus. Der Spiegel, 7. 1. 2008, Nr. 2, S. 64 ff.
Alexander Smoltczyk: Satanische Sekten im Vatikan, 8. 1. 2008 http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,527076,00.htm

Murat Kurnaz: Fünf Jahre meines Lebens - Ein Bericht aus Guantanamo. Rowohlt Berlin, 2006. 288 Seiten.

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